T. C. Bpoyle: Ein Freund der Erde

Auf dem Weg zu alter Klasse:

T.C.Boyle:
Ein Freund der Erde.

Um es gleich vorweg zu sagen, der große Wurf, auf den die Fans von T. Coraghessan Boyle gewartet haben, ist „Ein Freund der Erde“ wieder nicht geworden. Seit „Wassermusik“ und „Grün ist die Hoffnung“, Boyles ersten Romanen, liegt die Meßlatte hoch, um die sportliche Allegorie weiter zu verwirren. Am weitesten drunter blieb Boyle mit „Wellville“. Aber schon bei America ging es wieder aufwärts, und der neue Roman läßt die alten Tugenden zumindest wieder aufblitzen.

Es gab in der „Wassermusik“ eine Szene, in der Mungo Park, der tollkühne und komplett ahnungslose Afrikaforscher, von einem Krokodil verschlungen wird, um wenig später wieder unter den Lebenden zu weilen. Diese Begebenheit zeigte die wahre Stärke des Autors Boyle: Eine ausladende, burleske Phantasie, mit der starke Geschichten quer zu amerikanischen Mainstream Befindlichkeiten erzählt wurden, ein Erbe Mark Twains. Damals war Boyle noch ein junger, renitenter Bursche; in der Folge gingen ihm die starken Geschichten aus, und die Renitenz schlug sich weniger in der Schaffung eigener Welten nieder als in den üblichen Ideologien und Neurosen bürgerlich alternativer Opposition. T. C. Boyle ist kein Autor, der durch Sprache oder besonders präzise Beobachtungsgabe glänzt, der komplexe menschliche Zustände literarisch abbilden könnte. Seine Stärke ist das Erzählen und der ihm eigene, etwas verschrobene Humor. Wie nun steht es um diese Stärken in „Ein Freund der Erde“?

Da hat es eine Geschichte und es hat eine Figur, die Boyles Fähigkeiten würdig sind. Da ist Jack Tierwater, in der Erzählzeit des Buches, das im Jahr 2025 spielt, ein alter Mann, der in einer verwüsteten Welt lebt. Da ist Maclovio Pulchris, Mega Popstar, eine Mischung aus Sting und Michael Jackson, Arbeitgeber Jacks und Tierschützer, der versucht, auf seiner Privatfarm einige der letzten wilden Tiere zu retten. Und es gibt Andrea, Jacks frühere Frau, die wieder aufkreuzt, um Jacks Leben erneut in Unordnung zu bringen. Nicht zu vergessen die Hyänen, Patagonischen Füchse und die Löwen, die durch den Speiseaufzug der Maclovis´schen Villa kommen und gewaltig schlechte Laune haben.

Doch das ist nur die eine Hälfte des Buches. Die andere spielt in der Vergangenheit, in den 80/90iger Jahren. Sie erzählt die Geschichte Jacks, seiner Tochter Sierra, und Andreas, die Aktivisten gegen Umweltzerstörung sind. Auf dieser Ebene, die immer wieder eingeblendet wird, erzählt Boyle eine richtig starke Geschichte. Der Mann Jack wird greifbar, er lebt sicher auch aus den Erfahrungen, dem Temperament und den Frustrationen seines Autors.

Jack ist ein alleinerziehender Vater, der plötzlich, beeinflußt durch Andrea, einer charismatischen Funktionärin der Umweltbewegung, sein ganzes Leben über den Haufen wirft, um sich der Bewegung anzuschließen. Schon bald geht der Heißsporn Jack zu illegalen Aktionsformen über, der erste Gefängnisaufenthalt läßt nicht lange auf sich warten. Das alleine wirft Jack nicht aus der Bahn, auch die zweite Verhaftung und das Leben in der Illegalität nicht. Aber seine Tochter Sierra entschließt sich als Teenager, ihr Leben den Bäumen zu weihen. Sie verbringt Jahre ununterbrochen auf einem riesigen alten Redwood Baum als Symbol der Umweltbewegung. Bis sie abstürzt und zur Märtyrerin wird. Fortan gibt es für Jack, dessen Ehe mit Andrea ob dieser Frage zerbrochen ist, nur noch Bitterkeit und Rache.

Eine finstere Geschichte, mag man meinen, aber sie hat ihre humorvollen Seiten, und sie ist spannend erzählt. Die Gegenwart des Buches, die eigentlich die Zukunft ist, sieht noch viel düsterer aus. Hier hat Boyle eine knallharte Antiutopie entworfen, in der die Erde durch die Folgen der globalen Erwärmung in ein einziges Katastrophengebiet verwandelt worden ist. Hoffnungslos übervölkert, von einem Wechsel aus Regenstürmen und sengender Hitze entweder ausgedörrt oder überschwemmt, können nicht einmal die Reichsten mehr ein halbwegs angenehmes Leben führen. Die Vision, die Boyle hier entwickelt, ist so radikal düster, daß sich die Warnungen der jüngsten UNO-Berichte dagegen wie Weihnachtsmärchen anhören. Der völlig desillusionierte Jack wurschtelt sich als Tierpfleger durch, bis Andrea wieder auftaucht.

Hier allerdings offenbart sich die Schwäche des Buches. Auf dieser Ebene nämlich, die sich etwa über ein Jahr erstreckt, tut sich eigentlich nicht allzuviel. Zwar spart T.C.Boyle nicht mit phantasievollen Details, auch nicht mit burlesken Episoden, es gelingt ihm durchaus, eine gewisse Spannung zu erzeugen, nur läuft die letztlich ins Leere. Man wird das Gefühl nicht los, daß die Konstruktion des Romans, das Erzählen aus der Zukunft heraus, eigentlich dem Zweck dient, vorzuführen, wohin die globale Erwärmung Boyles Meinung nach führen wird.

T.C.Boyle lebt in den Bergen Kaliforniens. Der Mann ist ein Naturfreak. Das Thema Umweltzerstörung ist ihm offensichtlich ein echtes Anliegen. Vielleicht ist es das, was verhindert hat, daß aus diesem spannenden, lustigen und sehr unterhaltsamen ein wirklich tolles Buch geworden ist.

Burckhard Christians

Aus dem Amerikanischen von Hans Werner Richter
Hanser, 2001; 356 S..


u-lit rezension zu
T.C.Boyle: America



Literatur Magazin u-lit: Kontakt Literatur-Links
Literatur Magazin u-lit: Rezensionen in Kürze
Literatur Magazin u-lit: Trends und Themen
Literatur Magazin u-lit: Rezensionen und Buchtipps
| Literatur Magazin Start! | Literatur Magazin Themen! | Literatur Magazin Rezensionen! | Literatur Magazin Neue Bücher! |
| Literatur Magazin Literatur Forum! | Literatur Magazin Download! | Literatur Magazin Kontakt! | Literatur Magazin Literatur Links |
Erstellt am 26.02.2001 ©u-lit