u-lit Literatur Magazin: start!
Jörg Uwe Sauer:
Uniklinik
222 S. Residenz Vlg. 1999


"Das Traumpaar": Jörg Uwe Sauer ist mit seinem zweiten Roman noch grossartiger geworden. Der u-lit Redaktion fehlten fast die Worte. So baten wir Ralf Zeigermann, uns auszuhelfen. Lesen Sie seinen Brief aus Brüssel, bewundern Sie seine Original-Zeichnung des Bischofs Spadolini!

Informationen zur Biographie des Autors

Jörg Uwe Sauer

alte version

Es kann Spaß machen, Fernseh Interviews mit österreichischen Künstlern zu sehen: gerne wird da der unbändige Haß und der abgrundtiefe Ekel beschworen. Bekannteste Beispiele dieser düsteren Koketterie sind Elfriede Jelinek und Thomas Bernhardt. Genau diesen Tonfall des inbrünstigen Überdrusses treibt der junge Österreicher (der gar keiner ist, sondern aus dem Ruhrpott kommt -spätere Erkenntnis der Redaktion) Sauer in seinem Erstling auf die Spitze.
„Krank, so dachte ich, hier ist alles und jeder krank..“, so geht es los und so hört es auf in dieser radikalen Unisatire. Die Uni liegt im Ruhrgebiet, man hat es mit einer Gruppe von fortgeschrittenen Geisteswissenschaftlern zu tun, Teilnehmer eines Doktoranden Seminars, denen der Professor abhanden kommt. Beim wöchentlichen gemeinsamen Holzfällen bleibt der trotz vieler Warnungen unter dem fallenden Baum stehen.

...gerne wird da der unbändige Haß und der abgrundtiefe Ekel beschworen...

Kenner des Werkes von Thomas Bernhard erkennen schnell: Es gibt wohl keines der Topoi aus dem Werk ihres Meisters, das hier nicht zitiert würde. „Eine komische Bösartigkeit“, so der Untertitel, aber das komische wächst aus dem Grotesken. Der Psychiater, den alle aufsuchen, ist längst verstorben; sportliche italienische Bischöfe tragen SM-Spiele mit Krankenschwestern aus, die Erwähnung der Droste Hülshoffschen Judenbuche führt zu epileptischen Anfällen. All dieser offene Irrsinn jedoch berührt die Geisteswissenschaftler kaum: der Besuch eines Freibads erweist sich als größerer Horror als aus Bäumen fallende, halbverweste Nasen. Die Uni als Elfenbeinturm, nur der besteht aus schäbigen Cafeterias mit leeren Joghurtbechern, in den Kippen ersäuft werden. Hauptsächlich wird gewartet und geraucht.

...die Erwähnung der Droste Hülshoffschen Judenbuche führt zu epileptischen Anfällen...

Der eigentliche Kunstgriff dieser Satire besteht darin, einen Ich Erzähler einzusetzen, der anfangs scheinbar völlig unbeteiligt berichtet. Wie man später erfährt, hat er schon seit Jahren, seit seiner Flucht aus Wien, kein Wort mehr gesprochen. Das ändert sich langsam, und der Erzähler entpuppt sich als allen Anderen ebenbürtig in puncto Merkwürdigkeit
Die Pedanterie des universitären Sprachduktus hat auch Thomas Meinikes „Tomboy“ inspiriert, aber der wollte sich ja auf keinen Fall lustig machen. Sauer hingegen macht nicht nur die Uni, „diesen Geistesort“, nieder, er führt mit seiner Figur auch den dünkelhaften selbstverliebten Überdruß der daraus erwachsenden kulturellen Elite ad absurdum. Im Ernst: Das lustigste deutschsprachige Buch seit Ewigkeiten.

...Im Ernst: Das lustigste deutschsprachige Buch seit Ewigkeiten...
März/´99 Weitere Rezensionen


| Literatur Magazin Start! | Literatur Magazin Themen! | Literatur Magazin Rezensionen! | Literatur Magazin Neue Bücher! |
| Literatur Magazin Literatur Forum! | Literatur Magazin Download! | Literatur Magazin Kontakt! | Literatur Magazin Literatur Links |
©u-lit