Rezension zu David Baddiel: Ab ins Bett

Informationen zu
David Baddiel
 

Die Königin der Herzen:


David Baddiel:
Was man so Liebe nennt.

Kunstmann, 2000.
335 S.

Wer erinnert sich noch an Diana Spencer, besser bekannt als Lady Di, oder einfach "die Königin der Herzen"? Ja, schon gut, wir alle erinnern uns an sie, und an den kollektiven Irrsinn, der weite Teile der Erde in seinem eisernen Griff hatte während der Wochen nach ihrem Tod. Was zählte da schon der Tod wirklicher Menschen, die respektloserweise einfach starben, während doch alle um Diana trauerten? Wahre Ozeane von Tränen wurden um eine Wildfremde vergossen von Menschen, die ihrer Angehörigen wegen kaum ein Tempo durchfeuchteten.
Das ließe sich hervorragend zum Ausgangspunkt einiger Betrachtungen über die Rätselhaftigkeit der menschlichen Psyche machen, aber David Baddiel´s Thema ist ein anderes: Er knüpft an Dianas Tod eine Meditation über das Wesen der Liebe und den Tod

Nun ist Baddiel kein Schmonzetten-Autor, sondern eigentlich Komiker und TV-Moderator. Schon in seinem ersten Buch, "Ab ins Bett" rückte er dem Phänomen der libidinösen Fixierungen mit teils brachialem Humor zu Leibe. In seinem zweiten Roman allerdings wird ein anderer Ton angeschlagen. Das beginnt schon bei den vorangestellten Zitaten von Freud und E.M.Forster und der Einleitung, wo es heißt: "Ernsthaftigkeit, so scheint es, kommt in Wellen." Die dann folgende Geschichte ist schmerzhaft und verwirrend. Und sie läßt sich hier nicht wirklich ausbreiten und besprechen, ohne den eigentlichen Knalleffekt, den das Buch auf den letzten Seiten bereithält, zu verraten. So sei gesagt, daß man es mit zwei Paaren zu tun hat, nämlich Vic und Tess sowie Emma und Joe, allesamt Londoner, Anfang Dreissig, recht normale Leute. Vic, verhinderter Rockstar und Frauenheld, hat mit der herben, selbstbewußten Tess das erste Mal eine Beziehung von Dauer und fängt dennoch ein Affäre mit Emma an, der Frau seines Freundes Joe. Auch zwischen Joe und Tess kommt es zu einer kurzen sexuellen Begegnung. Eine Beziehungsgeschichte also; bei dem Titel überrascht das nicht.

Alle vier Protagonisten läßt Baddiel ausführlich zu Wort kommen. Im Zentrum des Buches jedoch steht Vic. Er ist es, über dessen Ansichten und Verhaltensweisen am meisten gesagt wird. Die anderen Figuren verblassen dem gegenüber. Besonders Emma, seine Geliebte, wird nie wirklich zu Fleisch und Blut. Einerseits ist sie angelegt als Entsprechung der Medienfigur Diana im "realen" Leben: Hübsch, blond, romantisch, etwas naiv. Dazu passend hängt Baddiel ihr eine irische Herkunft an. Emma ist die einzige der vier Protagonisten, die sich der allgemeinen Hysterie nach Dianas Tod hemmungslos hingibt, was Vic ausnützt, um sich in ihr Herz und ihr Bett zu stehlen. Ohne Skrupel seinem Freund Joe oder seiner Freundin Tess gegenüber zu empfinden, spielt Vic, dem Heuschnupfen die Augen tränen läßt, Emma tiefe Trauer um Diana vor. Für Vic war das ein eigentlich ganz normales Verhalten, zumindest solange, bis er mit Tess zusammenkam. Die beiden sind für alle Bekannten ein perfektes Paar: Zwei unabhängige starke Persönlichkeiten, die meilenweit von konventioneller bürgerlicher Lebensplanung entfernt zu sein scheinen. Tess ist Weinexpertin, reist in der Welt herum, ist abenteuerlustig: In ihr hat Vic die ideale Mischung aus Geliebter und Kumpel gefunden.

Aber aus der anfänglich eher kuriosen Affäre mit Emma wird mehr. Emma und Joe haben sich nach der Geburt ihres Kindes einander entfremdet. Obwohl Joe, ein ernsthafter Naturwissenschaftler und in jeder Hinsicht das Gegenteil von Vic, eine recht lebendig und ausführlich geschilderte Figur ist, wird nie recht deutlich, worin diese Entfremdung besteht, was wiederum damit zusammenhängt, daß Emma eigentlich ein Platzhalter, aber kein wirklicher Charakter ist. Jedenfalls gewinnt die Affäre zwischen Vic und Emma an Dynamik und Bedeutung. Die beiden beginnen sich die Frage zu stellen, ob es eine gemeinsame Zukunft geben kann. An diesem Punkt jedoch kommen Krankheiten, die zum Tode führen, ins Spiel. Die Beziehungen zerfallen, übrig bleiben Bitterkeit und Verzweiflung.

Es ist ein merkwürdiges Buch, das Baddiel geschrieben hat. Vom Ende her betrachtet, scheint er von die ganze Zeit eine Geschichte über die Vergänglichkeit der Liebe im Angesicht des Todes im Sinn gehabt zu haben. Dabei spart er nicht an drastischen Mitteln. Seinen Helden Vic zerrt er durch die tiefsten Abgründe der Schuld, Joe läßt er am Ende der Geschichte als Wrack zurück. Lediglich Tess kommt halbwegs ungeschoren aus der Geschichte heraus. Es scheint, als sei dem Komiker einiges im Kopf herum gegangen bei diesem Buch. Allerdings bleibt der Eindruck, daß Baddiel sich entweder zuviel vorgenommen hat, und dem letztlich nicht gewachsen war, oder daß er sich nicht wirklich entschieden hat, welche Geschichte er erzählen wollte. Das Buch beginnt als Komödie, wechselt zur Liebesgeschichte, wird dann dramatisch, und scheut schließlich vor der Moritat zurück, indem es ins psychologische ausweicht. Gottseidank kann Baddiel erzählen, mit Sinn für Details und Charakterisierung. So bleibt man bis zu Schluß bei der Stange und ist bereit, tatsächlich darüber nachzudenken, was das ist, was man so Liebe nennt.

 


Zuletzt geändert am 30.11.2000 ©u-lit