Georg Klein Barbar Rosa

Georg Klein:
Barbar Rosa.


Roman
Alexander Fest, 2001.
203 S.

Mr. Charles La Tane

Nach dem großartigen Roman "Libidissi" ist im Frühjahr der - vermeintliche - Nachfolger "Barbar Rosa" erschienen, „eine Detektivgeschichte“ – ein vermeintlicher Nachfolger ist „Barbar Rosa“ deshalb, weil er später als „Libidissi“ erschien, aber wesentlich früher – Anfang der 90er – geschrieben wurde. Das Spielchen mit trivialliterarischen Genres ist bei Klein vertraut: Der zuerst erschienene Roman war nur wenig anderes als der jetzt neue, ältere, gefeierte zweite, nämlich ein Agentenroman, ein Krimi und gute Unterhaltung, genau so, wie’s sein soll. Aber leider leider, so spannend „Libidissi“ war, „Barbar Rosa“ ist wesentlich dünner, handlungsärmer und wirkt wie ein Abguss; ist ins moderne Berlin verlegt (zumindest in ein an Berlin gemahnendes Stadtgewebe - gesprochen wird nur von der "Hauptstadt") und mit einem Dümmling als Hauptperson ausgestattet.

Logisch: denn 1.) ein Spiel mit dem Detektivgenre führt in die Nähe eines komplett unfähigen Kommissartypus (als Abkehr von Mr. Holmes), und 2.) wenn ein Krimi im Berliner Schreckschussmoloch spielt, gibt es keine andere Möglichkeit mehr, als einen Großstadttrottel-Kommissar, einen Lächerling, einen trinkseligen Dödel als Helden zu produzieren, denn Berlin ist im Gegensatz zur erfundenen Stadt Libidissi kein Pflaster für „ernsthafte Konflikte“, sondern immer schon Karikatur.

Im Text - immerhin kann Klein sehr gut schreiben, die Romanstimmung, das "Flair" ist ein gänzlich anderes als im Vorgänger-Nachfolger - tauchen dann auch die selben Figurtypen auf, wie vorher, anders gewichtet und ver-handelt: eben das undurchsichtige Stadtgewebe, das kleine Mädchen, die mediale Verstörung, das unheimliche Problem, der Mond und seine Macht, die flüssige Droge - aber es ist nicht aufregend, es ist nicht ansatzweise spannend, sondern einschläfernd.

Auch die Verweise zum Romantitel (Achtung, Wortspiel Barbar Rosa – und wie soll es anders sein: zum Schluss ist des Helden Bartwuchs hinter der Maske rötlich) permanent ist irgendein Detail rosa oder hellrötlich oder zartrot oder ein rot hinter Watte oder..., dass also alles so schön mit dem Titel zusammenhängt und inhaltlich verknüpft ist, huhu, was für ein spannendes Verfahren, die ganzen Verweise herauszuarbeiten und daran herum zu interpretieren.

Insgesamt ist alles ganz unklar und unsicher und vage und scheinbar, also der übliche Schein-Wirklichkeit-Widerspruch, der den Helden unausweichlich und überraschungslos befällt, ach wie ermüdend das ist: Eine einzige - gut geschriebene - Scharlatanerie. Eine Geschichte, die niemanden ernsthaft interessiert und zu keiner Zeit, nie und niemals nicht, interessant wird. Ein Text, der als große Erzählung daherkommt (so auch in den wohlmeinenden Kritiken rezipiert wird), aber "nur" gut geschrieben ist, ansonsten nichts - in Worten NICHTS - verhandelt und erzählt, lediglich Geschichtenfetischismus betreibt. Es gibt kein Thema, es gibt nur (im „Libidissi“-Roman ebenso angesiedeltes) Zeug, das durcheinandergeraten ist und verquirlt wird. Der gesamte Text besteht im Grunde aus allerhand Versatzstücken, die zusammengepuzzelt sind und miteinander einen Roman machen: Das ist irgendwie nett, nirgendwo komisch und führt grundsätzlich ins Aus: der Text zum Jenseits und zur schein-sinn-toten Postmoderne. Das muss man nicht mitanlesen.

Was in „Libidissi“ eine Spannung erzeugt, nämlich die Vagheit der fremden Welt und das boshaft Abweisende, das Eigenes und Fremdes gegenseitig ausgezeichnet und ausgepeilt und voneinander abgestoßen hat, das ist hier im problemlosen Umfeld (gesprochen wird nur von der "Hauptstadt") gänzlich nackt und überflüssig und Pose und Masche und humorlos und ausgedacht und kalkuliert und total uninteressant. Wie ein ganzer Haufen moderner Autoren, hat auch Klein das Problem der permanenten Selbstwiederholung. „Barbar Rosa“ ist „Libidissi“ alt-neu zusammengestellt und in einem nach Berlin aussehenden Krümelgelände angesiedelt. Wenn dann noch die Süddeutsche Zeitung die Tatsache, dass es im Roman um einen Überfall auf einen danach verschwundenen Geldtransporter geht, als literarische Umsetzung der verschwundenen CDU-Millionen liest, kann man nur sagen: Bravo nach Süddeutschland.

"Barbar Rosa" ist ein gutes Buch zum einschlafen; die Kapitel sind nicht länger als fünfzehn Seiten, also die richtige Länge, um beim Umblättern zum neuen Kapitel - wobei die Kapiteleinteilung meist nur als Platzgewinn zur Seitenausbeute gedeutet werden kann, es gibt kaum Brüche zwischen den Kapiteln, sondern nahtlose Übergänge - um also beim umblättern ins neue Kapitel schließlich einzuschlafen und augenblicklich alles zu vergessen und sich nach dem Aufwachen permanent zu ärgern, für so eine Scharlatanerie DM 38,- ausgegeben zu haben.

Scharlatanerie deshalb, weil Klein großartig erzählen kann, allerdings einen ermüdend langweiligen und tatsächlich vorhersehbaren Text – wer wollte ernsthaft bezweifelt haben, dass es am Ende gut ausgeht? wer wollte bezweifelt haben, dass es wiedermal zum großen Showdown kommt? – geschrieben hat. und noch viel mehr Scharlatanerie, weil das, was er in Zukunft zu veröffentlichen gedenkt, dieser Form einschläfernder, thematisch belangloser Literatur in nichts nachstehen wird (wie bei seiner gestrigen Lesung in der FU zu erleben war). Was soll man also sagen: vielleicht das: „ach, was muss man oft für schmalen / Textkram blechen und bezahlen“

Sascha Preiß


Die Homepage des Ehepaares Georg Klein und Katrin De Vries



| Literatur Magazin Start! | Literatur Magazin Themen! | Literatur Magazin Rezensionen! | Literatur Magazin Neue Bücher! |
| Literatur Magazin Literatur Forum! | Literatur Magazin Download! | Literatur Magazin Kontakt! | Literatur Magazin Literatur Links |
Erstellt am 02.07.2001 ©u-lit/