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- "Dies hohe, berufsnotorische Risiko ist auch der Grund dafür, daß das Buchgewerbe bisher vom Druck des großen Kapitals vergleichsweise frei geblieben ist. Die Profite sind klein - wer Geld verdienen will, investiert woanders"
Klaus Wagenbach 1982.

- "Medienunternehmer aber haben die Aufgabe, ..die Chancen einer medialen Grenzüberschreitung konsequent zu nützen."
Thomas Middelhoff, Bertelsmann.


Andre Schiffrin:
Verlage ohne Verleger. Über die Zukunft der Bücher.
Mit einem Nachwort von Klaus Wagenbach.
Wagenbach Verlag 2000 125 Seiten,
DM 17,80

In der Umarmung des Riesen: Über die Zukunft der Verlage, der Bücher und der Informationen - Teil 2.


Die großen Buchhandelsketten, die Buchsupermärkte und die Internetversender sind eine reale Bedrohung für den unabhängigen Buchhandel, und damit für kleine Verlage, aber auch für Titel mit kleinen Auflagen aus großen Verlagen. Immerhin geht es dabei noch um den Verkauf von Büchern. Für Medienkonzerne wie Bertelsmann hingegen geht es um "Content" und dessen Vermarktung. Verlagen kommt in diesen Konglomeraten die Aufgabe zu, "wertvolle (soll heissen: profitable) und attraktive Inhalte zu generieren." Vielfalt ist dabei eine Größe, die eher lästig ist, und darf wenn, dann überhaupt nur unter dem eigenen Dach stattfinden.

In Teil 1 wurde beschrieben, wie Andre Schiffrins Verlag Pantheon Books von einem unabhängigen, linksliberalen Verlag zu einem Spielzeug des amerikanischen Medienmoguls S.I.Newhouse wurde. Bis der keine Lust mehr hatte und verkaufte, an Bertelsmann.


Die Bertelsmann Gruppe, einer der größten Medienkonzerne der Welt, dominiert mittlerweile den amerikanischen Buchmarkt, noch vor einem anderen deutschen Konzern, Holtzbrinck, zu dem unter anderen Fischer und Rowohlt gehören. Und Bertelsmann ist bestens gerüstet für das Verlagsgeschäft. Als riesiger, von Aktionären kontrollierter Konzern verfolgt Bertelsmann, anders als ein Mogul wie Newhouse, keine erratischen persönlich/politischen Interessen. Schließlich ist Bertelsmann, anders als Newhouse, auch beteiligt an den den amerikanischen Markt beherrschenden Buchhandelsketten.

Diese Ketten sind ein weiterer Grund für die negativen Veränderungen im Verlagswesen. Mittlerweile entscheiden deren Manager darüber, welche Bücher eine Chance bekommen, ein Bestseller zu werden, schlimmer noch, häufig entscheiden sie, welche Bücher überhaupt gedruckt werden. Die Verzahnung dieser beiden Bereiche bei Bertelsmann und die weitere Vermarktung des "Contents" über Merchandising, Fernseh- und Filmproduktionen, Kabelsender, den Videomarkt, den Internetmarkt lassen Bertelsmanns Interessen längerfristig erscheinen. Medien sind, wie spätestens seit Verbreitung des Privat-Tv und des Internetbooms jedermann klar ist, das wohl wichtigste Marktsegment der Zukunft. Und Bertelsmann gehört zu einer Handvoll Großorganisationen, die diesen Markt beherrschen wollen.

Wo sind die Ursachen für diese Entwicklung? Für Schiffrin ist das ganze eine Folge der neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der Reagan, Thatcher Ära. Der Rückzug des Staates aus dem Sektor der Kultur und die Liberalisierung und Privatisierung der Medienlandschaft haben diese zu einem Schlachtfeld der Medienkonzerne gemacht. Aber Informationen und deren Vermittlung ist nicht nur eine Ware wie Waschpulver oder Wackelpudding. Worum es hier in der langen Perspektive geht, ist der freie Zugang zu Informationen für alle, zumindest aber für viele. Und es geht um die politische Macht, die die Kontrolle der Medien bedeutet.

Schiffrins Prognosen sind düster. Er selbst hat einen unabhängigen Nonprofit-Verlag gegründet, was nur mit Hilfe vieler Stiftungen möglich war und sieht für solche Projekte auch Überlebenschancen. Kleine unabhängige Verlage, schön und gut, aber wie weit ist das entfernt von dem Ziel: Das gute Buch für alle?
Klaus Wagenbach, der Schiffrins Buch in Deutschland verlegt und mit einem Nachwort versehen hat, ist einer der profiliertesten Kritiker der beschriebenen Entwicklungen im Verlagswesen. Wie Schiffrin sieht er die gegenwärtige Situation geprägt von Spekulationsfieber, und scheint daran die Hoffnung zu knüpfen, daß diese Spekulanten sich möglicherweise anderen, lohnenderen Objekten als den traditionell nicht besonders profitablen Verlagen zuwenden. Angesichts der zunehmenden Verflechtung des Medienmarktes und eingedenk des zunehmenden Hungers der Medienvermarkter nach "Content" erscheint diese Hoffnung aber nicht sehr realistisch.

Was also ist zu tun? Für viele Medienschaffende ist die Antwort ganz einfach: Mitmachen heißt die Devise. Da schreibt ein Gregor Gysi, da schreibt eine Elke Heidenreich, da schreibt ein Richard von Weizsäcker, und sie alle schreiben für ein recht elegantes Blatt namens "Transatlantik", eine laut Eigenbeschreibung "unabhängige, unkonventionelle" Literaturzeitschrift. Die außerdem Gesamtverzeichnisse einiger zu Bertelsmann gehörenden Taschenbuchverlage enthält und umsonst in Buchhandlungen ausliegt. In der so gut wie alle besprochenen Titel Bertelsmann-Bücher sind. Ja warum auch nicht? Wird nicht gleich im Editorial im Brustton der Überzeugung ein Bekenntnis zum festen Ladenpreis abgelegt? Wird nicht sogar der "Harry Potter" Boom gelobt, immerhin ein Erfolg der Konkurrenz, des kleinen Carlsen-Verlages, der nebenbei bemerkt zu einem schwedischen Mischkonzern, der auch Piper, Malik und Kabel kaufte, gehört?

Nein, da muß sich der Gysi keine Gedanken machen, schließlich darf er in seiner Rezension von Stefan Heyms "Architekten" ungestraft solche Dummheiten verbreiten wie, daß es die DDR wohl noch gäbe, hätte die Führung sich schneller vom Stalinismus verabschiedet. Klar, und vielleicht versteht sich der Gregor ja eigentlich auch ganz gut mit Richard und Wolf Jobst, zum Beispiel darin, daß es die deutsche Geschichte im Osten zu wahren gilt. Nur etwas verschwiemelter müßte Gysis Sprache noch werden, etwa so wie die des Altbundespräsidenten von Weizsäcker, der über Wolf Jobst Siedlers Erinnerungen schreibt. Ach Siedler Verlag, Bollwerk des wertkonservativen Großbürgertums. Da verfolgt man unbeirrt seine Interessen, war sich schon immer zu vornehm für Hitler, konnte am Nationalsozialismus nie das Sozialistische ausstehen, und weiß, daß Berlin ins Zentrum Europas gehört, und nicht an die Peripherie. Und ist sich einig, daß Ernst Jünger, dessen Sohn Schulkamerad und engster Freund Siedlers war, eine zu Unrecht "stets umstritten gebliebene Ausnahmeerscheinung eines deutschen Schriftstellers von europäischem Rang" war. Wer will bei solchen Höhen, bei diesem Geistesadel noch nach Bertelsmann fragen, denen Siedler lange gehört? Und die Elke? Die schreibt doch bloß über so einen wunderschönen Band mit Tierfotografie, und wie das so ist mit der Tierliebe. Schließlich muß man ja leben, oder nicht, und die paar Fernsehauftritte und die Bestseller, die machen schließlich Appetit auf mehr.

Ach ja, Transatlantik, das schrieb sich 1980 noch mit einem großen A und natürlich ohne Loch in der Mitte. Da war es Hans Magnus Enzensbergers Magazin und dieser Vorturner der intellektuellen Nation verabschiedete sich gerade vorausschauenderweise von den schal gewordenen Ideen der 68ger. Weltflucht und Eleganz waren angesagt, und der Beginn der Neoliberlisierung. Vielleicht hat der Enzensberger für die Überlassung des Namens ja auch ein Geld bekommen. Warum überhaupt trägt das Bertelsmann Magazin diesen Namen?

Vielleicht weil es den Bertelsmann Transatlantik Fond gibt, der sich auf die Akquirierung von "Start-up Unternehmen aus den Bereichen E-Commerce, Content und Communitiy" konzentriert. Oder weil man an der CAP - ein Akronym, das gar nichts mit Capitalism zu tun hat, sondern für das Centrum für Angewandte Politikwissenschaft an der Uni München, unterhalten von der Bertelsmann Stiftung, steht - eine "transatlantische Lerngemeinschaft" unterhält, die die Aufgaben von Politikwissenschaft darin sieht, "Migration, Arbeitslosigkeit, die steigende Kriminalitätsrate, die Krisen der jeweiligen Sozialsysteme etc.," zu bewältigen sowie die Vereinigten Staaten und Europa als "die wichtigsten Garanten für eine weltweite Stabilität" in die Lage zu versetzen, "die nötigen Mechanismen zur Bewältigung der externen Herausforderungen in einer zunehmend instabilen Weltordnung zu entwickeln".

Nun, das hat sicher alles gar nichts miteinander zu tun, nicht wahr, Gregor Gysi, und sicherlich ist das Bekenntnis zur durch feste Ladenpreise halbwegs gesicherten Vielfalt und Unabhängigkeit der Informationen zumindest in Form von Büchern den Bertelsmännern eine Herzenssache, nicht wahr, Elke Heidenreich. Was hier im kleinen vorgeführt wird, vollzieht sich genauso im großen. BMG, Bertelsmann Music Group, fand, daß Napster, die Internet Tauschbörse für Musik, denn doch gegen ihre Interessen verstieße. Also wurde dieses immerhin auch viele Millionen Dollar schwere Unternehmen freundlich umarmt. Wozu bekämpfen was man auch kaufen kann?

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TEIL 1:
Vom guten Buch für alle bis zum Multimillionen Dollar Vorschuss für Bestseller: Der amerikanische Verleger Andre Schiffrin über die Veränderungen im Verlagswesen im Zeichen der Neoliberalisierung


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Zuletzt geändert am 03.07.2000 © u-lit