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u-lit Literatur Magazin start
 
gegr. 11/99

Ellen Ullman:
Close to
the Machine.
Mein Leben
mit dem Computer.
 
  (Original im City Lights Verlag,
San Francisco, 1997
unter dem Titel:
Close to the Machine -
Technophilia and
Its Discontents)
182 S., DM 14,80 Suhrkamp
Taschenbuch.
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Autoren und Themen


u-lit/ kurz
und...

Erinnert sich noch jemand an Cybersex? Es war das heiße Thema vor nicht einmal zwei Jahren. Mittlerweile ergibt die Gleichung Computer und Sex nur noch (Kinder-) Pornographie. Die Geschwindigkeit der Meinungen und propagierten Megatrends korrespondiert mit der Schnellebigkeit der virtuellen Realitäten. Aber während sich die Trendforscher, Focus Journalisten und Philosophen an den Schaum auf den Kronen der technologischen Wellen halten, gibt es Menschen, die auf diesen Wellen surfen und hin und wieder auch koppheister gehen.

...Schaum auf den Kronen der technologischen Wellen...

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Kontakt

Ellen Ullman, Anfang der 50iger in New York geboren hat über zwanzig Jahre als Programmiererin und Software-Beraterin gearbeitet. In dieser Zeit hat sie sich "sechs höhere Programmiersprachen beigebracht, drei Assembler, zwei Query-Languages, acht Job-Control-Sprachen, siebzehn Skriptsprachen, zehn Arten von Makroanweisungen, zwei Objektsprachen, achtundsechzig Schnittstellen für Programmierbibliotheken, fünf Arten Netzwerke und acht Systemumgebungen - fünfzehn, wenn man alle Kombinationen von Betriebssystemen und Netzwerken berücksichtigt."

...zwanzig Jahre als Programmiererin...

Ein Interview mit Ullman gibt´s hier: frontwheeldrive Ellen Ullman Interview

Ein Audiointerview mit ihr: BookRadio Audio interview with Ellen Ullman

Von New York nach Kalifornien, von der radikalen Linken zur Risiko-Kapitalistin, von einem Job zum anderen, von diesem Verhältnis zum nächsten; Das sind die Bewegungen, denen Ullman in ihrem Buch nachgeht. Sehr persönlich und wenig verschlüsselt, mit amerikanischer Offenheit beschreibt sie ihr Leben, wahrt dabei aber eine angenehme Distanz sich selbst gegenüber. Es ist die gedankliche Disziplin, gelernt in linken Gruppen und beim Schreiben von Code, die sie befähigt, ihre Biographie vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung zu sehen.
Die Euphorie nach Tagen ununterbrochener Arbeit, zusammengepfercht in heißen Büros, umgeben von leeren Pizzaschachteln, wenn es endlich läuft, wenn es funktioniert; die Einsamkeit nach dem Job, die beruhigend blinkende Welt der Maschinen als Zufluchtsort; die schiere Macht des Neuen und wie es sie droht zu überrollen, die schiere Macht des Geldes und wie es sie korrumpiert: Rausch und Depression des Lebens close to the machine.

...umgeben von leeren Pizzaschachteln...

Und noch eine Ullman Adoration Site: Ellen Ullman

Maschinen sind für Ellen Ullman nicht nur Computer und Netze, sondern auch die gesellschaftliche (Meta-)Maschinen: Die Mechanismen der Geldzirkulation, die soziale Hierarchisierung, die Mechanismen des Sexuellen. Dabei ist sie klug genug, diese Analogie zwischen Computern und gesellschaftlichen Zuständen nicht sehr weit zu treiben und sich eher an die eigenen Erfahrungen zu halten. So bleibt der Versuch, dieses Buch in den Bereich der Theorie-Poesie zu erheben, ihm doch äußerlich, nämlich auf dem Vorsatzblatt, wo ein Andrei Condrescu schreibt: "..der hochmelancholische Hilferuf eines Körpers, der in der Maschine verschwindet." Nix, hier verschwindet kein Körper, er wird einfach nur älter, und das ständige Starren auf Bildschirme macht das nicht unbedingt besser.

...gesellschaftliche (Meta-)Maschinen...

 

Warum nun, und das bringt uns wieder zum Cybersex, der Suhrkamp Verlag dieses Buch mit einem Umschlagbild verunstaltet, das eine Frau mit allerhand umgeschnallten elektronischen Vorrichtungen, wehendem Haar und aufgerissenem Mund zeigt, bleibt unklar. Datenhandschuhe kommen in dem Text nicht vor, und der Sex findet im Bett statt.

...der Sex findet im Bett statt...

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©u-lit Zuletzt geändert am 14.02.2000