u-lit Literatur Magazin: start!
Thomas Meineke:
Tomboy
Suhrkamp 251.S.,
DM 36,00


u-lit: rezension


u-lit: themen


u-lit neue Bücher...


u-lit: kontakt

Drei der wichtigsten Popautoren habe man im Stall, jubelt der Suhrkamp Verlag, und daß die Popwelt jetzt in die Literatur hinein diffundiere. Gemeint ist neben Andreas Neumeister und Rainald Goetz der 43jährige Thomas Meinecke, Mitglied der Münchner Band FSK, der schon mit „The church of J.F.K.“ einigen Erfolg hatte. Aber jetzt überschlägt sich das Feuilleton: Von Vergleichen mit Thomas Manns Zauberberg bis zur Empfehlung, „Tomboy“ sei ein verläßlicher Führer durch den Dernier Crie der Theorieszene, reichen die Lobeshymnen.

... daß die Popwelt jetzt in die Literatur hinein diffundiere...

Was hat Meinecke gemacht? Er hat den Diskurs in die Literatur gebracht, so wie wir ihn kennen und äh, lieben aus der Hamburger Schule und anderen studentischen kulturellen Aktivitäten.
Mehrere StudentInnen sitzen in stickigen Städten Süddeutschlands und reden. Und denken. Schreiben an Doktorarbeiten über Otto Weininger im Lichte von Judith Butler und den neuesten Diskussionen der ´gender studies`.
Meinecke sagt ganz offen, daß das Buch im wesentlichen seine Beschäftigung mit dem Komplex der `gender studies´ darstellt. Und nein, ironisieren will er die feministische Theorieszene auf keinen Fall.

...ironisieren will er die feministische Theorieszene auf keinen Fall...

Aber wenn dies keine Parodie ist, was dann? Die Figuren sind ganz wie im klassischen Ideenroman Anschauungsmaterial, Ikonen und Bauchredner der theoretischen Diskussionen, agieren in Sätzen wie: „Die junge Doktorandin erhob sich und sagte:“ Wie überhaupt die Sprache das Verschachtelte, das Abstrakte, das Umgangssprachliche fliehende des universitären Sprachduktus in einer Orgie der Benennungen auf die Spitze treibt. Die Ironie, die so entsteht, macht sich aber nicht über ihren Gegenstand lustig. Sie dient als Mittel, den Autor aus dem Text verschwinden zu lassen. Wie in der wissenschaftlichen Arbeit darf er nur als Vermittlungsinstanz erscheinen.

...in einer
Orgie der Benennungen...

Abgesehen von gelegentlichen bewußt steifen Erwähnungen von Clubs und Musikern und Einschüben zur Lokal- und Kulturgeschichte Süddeutschlands bleiben so die theoretischen Erörterungen nackt und unmittelbar stehen. Günstigerweise erzeugt das eine rasante Rabulistik, all zu oft endet es im ödesten Wortgestrüpp. So läßt sich das Buch, womöglich gegen den Autor, als Parodie lesen, jedoch ist der Humor denn doch recht anämisch.

...all zu oft endet es im ödesten Wortgestrüpp...
Oktober/´98 Weitere Rezensionen
©u-lit Zuletzt geändert am 19.02.2000/27.07.01
alte version