u-lit Literatur Magazin: start!
Irvine Welsh:
Ecstasy
KiWi, 1997
350 S.,
DM 19,90

Schmieriger, porno-graphischer, moralischer, wütender, lächerlicher denn je:
Irvine Welsh´s neues Buch: Drecksau.



Einen sehr guten Überblick zu Irvine Welsh - Leben und Bücher - bei: Andrew Crumey

Nick Hornby (Hg.): Speaking with the Angel
Stories von Irvine Welsh, Hornby, Roddy Doyle u.a.

Nur wo "E" draufsteht ist auch Ecstasy drin, dachte sich der Verlag bei Irvine Welsh's 1996iger Veröffentlichung. Die deutsche Ausgabe, beherzt übersetzt vom bewährten Team Drechsler/Hellmann, behält den Umschlag bei, stellt aber die drei enthaltenen - eh - Romanzen in ihrer Reihenfolge um.
Es beginnt also mit der Liebesgeschichte zwischen dem Raver Lloyd aus Leeds und der frustrierten verheirateten Heather; sie finden sich in der Chillout Zone, wird ihre Liebe auch ohne E ekstatisch sein?
Teil zwei behandelt die fatale Liaison zwischen Dave, dem kriminellen, verheirateten Hooligan und Samantha - er sah sie das erste Mal vor der Chillout Zone - mit dem Engelsgesicht und dem Leib einer Schlange: Sie ist ein Opfer des Contergan-Skandals, das hier Thorazedrine heisst, und sie will Rache.
In der letzten Episode geht es eher um mehreres: Ein Showmaster liebt Leichen, eine Bestseller Autorin überlebt einen Herzinfarkt (zuviel böse Schokolade), und beschliesst ihren porno-süchtigen Mann zu strafen, weswegen zwei Schundromane geschrieben werden, und schliesslich weiss Lorraine aus Livingston nicht, ob sie Männer oder Frauen liebt. Am Ende treffen sie sich in der Chillout Zone.

...sie finden sich in der Chillout Zone, wird ihre Liebe auch ohne E ekstatisch sein?...

Drogenverherrlichung war der Vorwurf, der gegen "Trainspotting", Welsh's Buch über Heroin und Verarmung in Schottland erhoben wurde. Er passt eher auf "Ecstasy", dessen quasi-religiöse, bewusstseins-erweiternde, kommunikative Potenz. Und den Club, und die House Musik: viel besser als damals Punkrock und Speed, lässt Welsh eine seiner Figuren sagen. Da umarmen sich sogar die Hools mal kurz mitten in der Schlacht. Es ist halt zwei Jahre her, dass Welsh, pendelnd zwischen London, Leith und Amsterdam, diese Texte anfing zu schreiben: die übliche Verzögerung, die Literatur gegenüber Pop hat.

...Und den Club, und die House Musik: viel besser als damals Punkrock und Speed...

Seinen Schreibstil vergleicht der Autodidakt Welsh mit der Arbeit eines DJs, dem Mixen verschiedener Sounds und Genres. Die Grundlage, Drums & Bass, bilden Beschreibungen des Alltags von Ravern, Junkies, Fussballfans, und da liegt auch Welsh's Stärke: sehr schöne Dialoge, realistisch und unzensiert wie die besten Momente enigmatischer Kneipengespräche. Die fast lyrische Grossprecherei der verschiedenen Dialekte und Slangs erblüht vor allem im Original.
Dazu gemixt werden Elemente aus Grusel, Kitsch und Porno, aber ich bin da Purist, und sage: das ist meistens Mist. All diese Elemente bleiben blutleere Versatzstücke, die die straighte, nicht drogenessende Welt und deren Unterhaltungskultur karikieren. Das allerdings schafft ein warmes Wir-Gefühl, das sicher dazu beiträgt, dass Welsh in Schottland Volksdroge ist.

...Das allerdings schafft ein warmes Wir-Gefühl, das sicher dazu beiträgt, dass Welsh in Schottland Volksdroge ist...
Mai/`97 Weitere Rezensionen
 
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Zuletzt geändert am 16.06.2000