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u-lit Literatur Magazin


 

AGONY AND IRONY THEY GO TOGETHER IN PERFECT HARMONY
Pt. 1



 

Mit Dave Eggers, einem 30jährigen Brooklyner Hipster, hat Amerika einen neuen Star der Literatur. Und Amerika, und was das angeht, bald auch die ganze westliche Welt, hat ein Rolemodel für eine neue Generation von Autoren, die durch Metaironie den Abgrund zwischen Vereinnahmung und Verweigerung überbrücken wollen.
Berühmt machte Eggers seine Autobiographie,
zum Kult wurde er durch sein (Internet-)Magazin.
Jetzt droht das Spiel mit den Medien, der
Hype und der Klatsch
ihn zu verschlingen

 

Wie der Meister der Metaironie mit seinem McSweeneys Quartely Concern
das 18. und das 21. Jahrhundert zusammenbringt wird in PT. II der Eggers-Saga beschrieben.

In PT. III geht es um Eggers Spiel mit dem Feuer der Medien und wie der Hype und der Skandal ihn zu verschlingen drohen




"A Heartbreaking Work of Staggering Genius"


so der Titel von Dave Eggers Erstling, ist zum einen eine Autobiographie, zum anderen ein selbstreferentielles Spiel mit Literatur, das mit solcher Energie, solcher Cleverness und mit völliger Furchtlosigkeit betrieben wird, daß dieses Buch mit Sicherheit der Meilenstein einer neuen Ausbaustufe der HipLiteratur werden wird. Es erzählt die tragische, herzzereissende Geschichte des Todes von Eggers Eltern, die Dave mit knapp 20 Jahren als Alleinerziehenden seines 8 Jahre alten Bruders Toph zurücklassen. Und es erzählt die Geschichte der folgenden 8 Jahre, in denen die beiden nach San Francisco ziehen, wo Toph zu einem mehr oder minder normalen Teenager heranreift, während Dave zwischen seinen Erziehungspflichten und einem Leben als Prototyp der GenerationX pendelt.

Der Zeitraum, den das Buch behandelt, wird beschlossen durch das Ende der Kindheit Tophs, das Ende der Twentysomething Phase Daves auf privater Ebene, durch das Ende einer Epoche, der 90iger, im größeren Maßstab. "Might", ein satirisches Magazin, dass Eggers und seine Freunde, auf die noch zurück zu kommen sein wird, mit dem Anspruch gegründet hatten, das Genre der Lifestyle-, Polit- und SatireMagazine neu zu erfinden, scheitert an Geldmangel und an Überdruss. Der Versuch, "to show everyone how to live a less boring life" lässt sich halt nicht lange durchhalten. Illusionen verdampfen, echte Medienjobs mit echtem Geld locken. Auch bei MTVīs The Real World, der Mutter aller Reality TV-Shows, wird Eggers nur fast genommen. Es gibt Krankheiten, Unfälle und versuchte Selbstmorde am Ende dieser Zeit, und so brechen die Brüder ihre Zelte ab und gehen nach New York.

Das Buch hat seine düstern, seine dramatischen Seiten, und Eggers lässt den Leser teilhaben an seinem Schmerz, und an seiner Wut. Schon auf den ersten Seiten werden die genaue Farbe und Konsistenz des Auswurfs seiner todkranken Mutter geschildert, sowie die euiphemistisch benamsten Behältnisse, um diesen aufzufangen. Die Mutter wird dreimal begraben in diesem Buch; einmal imaginär, in einer prachtvollen, würdigen Zeremonie, einmal real, in aller tatsächlichen Schäbigkeit und Dürftigkeit, und einmal am Ende des Buches, als Dave zurück nach Chicago kommt, um die Asche seiner Mutter in den See zu streuen. In all diesen Szenen kommt Eggers extremes Maß an Selbstbeobachtung zum tragen; alle Gefühle, die vorhanden sind, werden übertrieben, karikiert, diskutiert, kommentiert. Und dennoch nimmt dies Verfahren den Emotionen nichts von ihrer Wirkung, im Gegenteil, es unterstreicht sie sogar.

Dem Buch vorangestellt sind etwa 30 Seiten "Rules And Suggestions for the Enjoyment of this Book", "Incomplete Guide to Symbols in this Book", etc. Es gibt Diagramme zu den besten Sockenschlidderwegen in der Eggerīschen Wohnung, es gibt ein Adresse, unter der man eine Fassung des Textes bestellen kann, in der alle Namen fiktionalisiert sind. Es gibt ein Diagramm über die emotionalen Wirkungen des Todes seiner Eltern. Am besten liest man dies, wenn man das Buch beendet hat, vorweg ist es recht befremdlich. Ohne die Wucht der Geschichte im Hintergrund kommt diese Ironie etwas sehr gewollt daher, zumal sie nie eine einfache ist, sondern stets mehrfach gebrochen wird wie in einem Pingpong Spiel zwischen Behauptungen und Infragestellungen.

Was anfänglich Selbstzweck, Zurschaustellung der eigenen Cleverness zu sein scheint, wird aber im Verlauf des Buches zu einem zentralen Stilmittel. Nicht nur der Erzähler kommentiert ständig die eigene Geschichte, auch seine Figuren treten aus ihren Rollen, kritisieren den Erzähler, diskutiern mit ihm. Dave Eggers schafft sich durch diese Brechungen die nötige Distanz, um seine Geschichte so persönlich, so hemmungslos erzählen zu können. Natürlich wurzelt diese ironische Selbstreflexivität in seinem Umfeld, seiner Generation. Aber Eggers fühlt sich auserwählt, einzigartig. Jemand, dem so etwas passiert ist, wie ihm, dem ist alles möglich. Und Eggers ist in der Tat vieles möglich. Er kann sich in einem Absatz von alltäglichsten Dialogen zu götterähnlichen Vogelperspektiven aufschwingen, er kann die Beschreibung eines Frisbee Spiels mit Toph zu einer Meditation über das Leben machen. Es sieht so aus, als sei hier ein wirklich originales Talent am Start, ein Autor mit großer Energie, eigenwilliger Persönlichkeit, und den Mitteln, diese zu vermitteln. Man darf gespannt sein, ob das auch trägt, wenn Eggers nicht von dem Feuer der eigenen Biographie zehrt.

DIES IST NICHT DAS ENDE DER DER 3 TEILIGEN EGGERS-SAGA
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PT. II

PT. III





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Die erste deutsche Veröffentlichung von Dave Eggers ist da!
Nick Hornby (Hg.): Speaking with the Angel

Dave Eggers Biographie
Zuletzt geändert am 17.0.2000 ©u-lit