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u-lit Literatur Magazin

 
 
jaja, auch hier sollte mal ein Photo hin, aber kriegen wir vielleicht eins? nee.  

"Ich habe schließlich begriffen, daß es nichts gibt, was ich zu sagen hätte, das ich nicht in diesem Genre sagen kann.":

In der Fortsetzung des Interviews mit Jerry Oster
geht es um New York, Sex und Musik, und um die (hoffentlich) demnächst erscheinenden Romane.
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Eine ausführliche Rezension von "Sturz ins Dunkel"

Und eine Rezension von "Versuchung in Rot"

Das Werden eines Autors:

Der Hamburger Krimiautor Robert Brack hat Informationen zur Biographie Jerry Osters und zu seinen Büchern zusammengetragen.

Biographische Daten:

  • * 1947 in New Mexico,
  • mit vier Jahren nach Kalifornien,
  • mit zehn nach New York. Dort Highschool,

  • dann Columbia University, Hauptfach englische Literatur.

  • dann Job bei United Press International News Service von 1965-66, obwohl er nie Journalist werden wollte,

  • dann Reuters bis 1969, danach bis 1977 bei New York Daily News; War auch Polizeireporter.

  • 1977 schreibt er den ersten Roman, neben der Arbeit, "so sah er auch aus, keine Kontinuität, zickig, unbeholfen".
    Erste Krimilektüre war Sherlock Holmes, "der einsame, ein wenig ausschweifende Einsiedler, eine hochromantische Figur. Ich glaube, mich zog die Tatsache an, daß er scheinbar ohne Frauen leben konnte, die sein Leben in Unordnung gebracht hätten. Das ist ein Teil meines Lebens, mit dem ich nie wirklich zufriedenstellend umgehen konnte."
    Wichtigster Einfluß natürlich die erste Chandler-Lektüre Mitte zwanzig.
    1977 kündigt er den Job bei der Daily News, hat genug Geld gespart, um sein erstes Buch zu schreiben. Hat aber Probleme eine so große Arbeitsstrecke wie einen Roman zu bewältigen, konnte sich nicht mehr konzentrieren, wurde körperlich krank, mußte sich mit 'echten Jobs' kurieren.
    1979 ist der erste Krimi fertig: "Port Wine Stain" erscheint 1980 ("New York Babylon", dt. 1986). Wird Mitglied im Writers' Room, schreibt unter dem Pseudonym Max Perry den Roman Final Cut (Krimi?). Dann die Beziehungskomödie "Municipal Bonds" (1981), im Stil von Woody Allen, ein kommerzieller Mißerfolg.
    1983 beginnt er mit einem neuen Kriminalroman: "Sweet Justice" ("Dschungelkampf", dt. 1987), der 1985 erscheint und ihn bekannt macht: "Ich habe schließlich begriffen, daß es nichts gibt, was ich zu sagen hätte, das ich nicht in diesem Genre sagen kann."
    Inzwischen lebt er in Chapel Hill, North Carolina, arbeitetet an der dortigen Universität als "Development writer" und schreibt jeden morgen zwischen 5.15-5.45 eine Seite und veröffentlicht seine Romane im Internet oder auf Deutsch.


    u-lit.de: Dear Mr Oster, Sie überschreiten ständig die Grenzen des Genres, in dem Sie sich bewegen. Warum schreiben Sie eigentlich Krimis und haben Sie jemals daran gedacht, diese Genre zu verlassen?

    Oster: Ich fing an Krimis zu schreiben, weil mein einziges Vorbild als Autor Raymond Chandler war. In der Tat habe ich eine romantische Komödie geschrieben, eine Woody Allen artige Geschichte über ein paar junge New Yorker. Sie heißt "Municipal Bonds", ein wahrscheinlich schwer zu übersetzendes Wortspiel. Municipal Bonds sind städtische Schatzbriefe. Außerdem bezeichnen sie die Beziehungen zwischen den Bewohnern der Stadt. Danach versuchte ich mich an einem ernsthafteren Roman um Männer und Frauen über eine zwanzig jährige Spanne ihres Lebens. Ich konnte das nicht, ich wußte nicht, wie ich solch ein Buch schrieben sollte. Die nächste Idee, die mir kam, war die, aus der "Sweet Justice" wurde. Seit dem habe ich ausschließlich Krimis geschrieben, Für mich allerdings sind das eigentlich Romane über Männer und Frauen, die zufällig mit der Aufklärung von Verbrechen beschäftigt sind, entweder als Polizisten oder Reporter. Ich verstehe nichts von der Aufklärung von Verbrechen, aber ich verstehe eine Menge von Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Beziehungen sind das, worüber ich am besten schreibe..

    u-lit.de: Steht Ihre Arbeit in einer literarischen Tradition, fühlen Sie sich einer literarischen Bewegung zugehörig?


    Oster: Ich bin ein moderner Autor, der über New York schreibt. Ich weiß nicht, ob ich deswegen zu einer Bewegung gehöre, aber sicherlich bin ich nicht der einzige, der das macht.

    u-lit.de: Es wird oft behauptet, New York City spiele eine Hauptrolle in Ihren Romanen, aber ich denke, es sind eher die komplexen Beziehungen zwischen ihren Bewohnern, die Sie interessieren. Würden Sie zustimmen, daß Ihre Geschichten darauf abzielen, das Muster des Lebens in dieser Stadt einzufangen?


    Oster: Ich habe ein Buch geschrieben, "Rancho Maria", das in Kalifornien spielt. (Der Taschenbuch erschien als "California Dead") Der Held war, wohl wenig überraschenderweise, ein ehemaliger New Yorker Polizist, die weibliche Hauptfigur eine New Yorker Reporterin. Sie waren beide fish out of water (wie ein Fisch auf dem Trockenen). Mein Verleger bei Rowohlt hat es höflich abgelehnt, das Buch zu veröffentlichen. Er sagt, es habe ein unbefriedigendes Ende (was stimmt; weder ich noch der Leser wissen am Ende, wer der "Täter" war) und daß der Schauplatz, Kalifornien, die deutschen Leser nicht interessierte. Ich bin anderer Meinung. Es geht nicht um Kalifornien, sondern um einen New Yorker in Kalifornien. Gerade habe ich eine Kurzgeschichte geschrieben für einen deutschen Sammelband mit geheim- nisvollen Geschichten um die Astrologie. Sie spielt in Florenz; aber es geht nicht um Florenz, es geht darum, ein New Yorker im Ausland zu sein. New York ist das, was ich kenne, und es durchdringt alles, was ich schreibe.

    u-lit.de: All Ihre Bücher sind voll von Bezügen zu gerade aktueller Musik, R & B, Funk, sogar HipHop. Ist das ein Stilmittel oder mögen Sie Pop Musik?


    Oster: Wir sind was wir hören. Das wichtigste, was man über jemanden, den man gerade kennen gelernt hat, in wissen muß, sind sein Lieblings Radio- Sender, wen er für die beste Sängerin, die beste Band, den besten Beatle hält. Wenn Sie in mein Auto, mein Büro oder mein Haus kommen, sind Sie meinem Musikgeschmack ausgesetzt genauso wie meinem Geschmack bezüglich Möbel, Kunstdrucke, Photographien, Kleidung, Farben und Stoffe. Musik bezeichnet den Character. Einer meiner Kollegen an der Uni hört christlichen Rock, ein anderer hört einen Easy Listening Sender, noch ein anderer Klassik. Ich höre bei der Arbeit Jazz. Wir haben alle den selben Job, aber unsere Musik macht uns vollkommen unterschiedlich.

    u-lit.de: Sex und die gesellschaftliche Auseinandersetzung darum war stets ein wichtiges Thema in Ihren Romanen. Ihre Figuren diskutieren die verschiedenen Positionen und leben sie aus. Tom Gilette, der Held in "Sturz ins Dunkel", ein Mann, der gerne heimlich Frauenkleidung trägt, ohne des- wegen homosexuell zu sein, beklagt einmal, daß die Beziehungen zwischen den Geschlechtern so kompliziert geworden seien...

    Oster: Sie sind der erste Mensch, der mich auf Gilettes Crossdressing anspricht. Kein Kritiker, niemand bei Rowohlt, kein Leser und keiner meiner Freunde hat mich danach gefragt. Ich dachte, ich hätte das Crossdressing so vorsichtig eingeführt, daß dem Leser nicht klar wird, wer die Kleider anzieht. Ich dachte, die Leute würden vermuten, ich sei ein Crossdresser und es wäre ihnen peinlich, mich darauf anzusprechen. Dies war mein erstes Buch über Gilette (ein zweites ist in Arbeit) und ich kenne ihn noch nicht gut genug, um zu sagen, warum er ein Crossdresser ist, nur das er es ist. Ich bin kein Crossdresser, und ich weiß absolut nichts darüber. Sie vermuten, ein Crossdresser könne schwul sein, aber ich weiß nicht ob das der Fall ist. Ist Crossdressing ein Stadium in der Entwicklung eines Transsexuellen? Auch das weiß ich nicht. In dem Buch, an dem ich arbeite, "Black is the New Black", schreibt eine Frau, mit der Gilette zusammen lebt, Tagebuchnotizen über sein Crossdressing. Als sie bei einem Unfall stirbt, verdächtigen einige Leute Gilette, sie umgebracht zu haben, um sein Geheimnis zu wahren... .

    Aber Sie fragen nach der gesellschftliche Rolle von Sex. Nichts ist kompli- zierter als das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Wenn sie Freunde sind oder Arbeitskollegen, ist ihre Beziehung komplizierter als sie es zwischen Menschen von gleichem Geschlecht wäre; es ist so kompliziert, als wären sie ein Paar. Hinter jeder Freundschaft, hinter jedem Arbeitsverhältnis zwischen einem Mann und einer Frau steht ein Fragezeichen: Was, wenn wir ein Paar wären? Daraus resultiert eine Spannung, die angenehm sein kann oder unangenehm, die aber immer da ist. Einige Männer - Bill Clinton ist der Berühmteste und der Berüchtigtste - können dieses Fragezeichen, diese Spannung nicht stehen lassen. Sie müssen einfach versuchen, mit jeder einzelnen Frau, die sie sehen, Sex zu haben. Sie haben nicht danach gefragt, aber ich wage die Prognose: Bis zur nächsten sexuellen Eskapade Bill Clintons werden höchstens einige wenige Jahre vergehen.

    u-lit.de: Auf die Frage, warum amerikanische Literatur so viel einflußreicher ist als europäische, antwortete Tom Wolfe, das sei einfach darauf zurück zu führen, daß die USA die mächtigste Nation sei. Stimmen Sie dem zu und was halten Sie von europäischer Literatur, speziell europäischen Krimis?


    Oster: Die amerikanische Literatur ist einflußreicher als die europäische, einfach weil sie in Englisch geschrieben wird, was viele Europäer verstehen. Es wird sehr wenig europäische Literatur übersetzt, und sehr wenige Amerikaner sprechen oder lesen europäische Sprachen. Mit Untertiteln versehene europäische Filme haben eien sehr große Wirkung gehabt, die aber nachlässt, weil immer weniger in den USA gezeigt werden. Ich lese selten europäische Literatur. Ich lese praktisch nie europäische Krimis. Ich mag dieses eine Buch ("Violette") von Pieke Biermann, einer Freundin, das ich auf Englisch gelesen habe. Die meisten Krimis sind zu gewalttätig für meinen Geschmack. Ich folge einer Regel: Ich lese nichts über Massen-Mörder und -Vergewaltiger und ich lese nichts über Kinder in Lebensgefahr. Ich könnte es meiner Familie und meinen Freunden gegenüber nicht vertreten, über solche Themen zu schreiben, und ich werde nicht Leute unterstützen, die das tun.

    u-lit.de: Sie scheinen ziemlich gute Deutschkenntnisse zu haben. Wie kommt´s?


    Oster: Seit meinem ersten Besuch in Deutschland 1991 habe ich einige Kurse absolviert. Als ich an der Universiy of North Carolina arbeitete, habe ich ein Jahr Deutsch gelernt, und an der Duke University, für die ich jetzt arbeite, habe ich gerade eine Auffrischungskurs besucht. Ich habe viele Freunde in Deutschland. Mit einigen korrespondiere ich regelmässig und ich versuche, soviel wie möglich auf Deutsch zu schreiben. Mit Zeit und Woerterbuch kann ich ein bisschen Deutsch schreiben. Weil ich selten Gelegenheit habe, kann ich aber kaum sprechen. Ich habe auch schlechtes franzoesich, spanisch, und italienisch.

    u-lit.de: Mr Oster, es gibt viele Leute, die sehnsüchtig ein neues Buch von Ihnen erwarten. Arbeiten Sie an etwas und wenn ja, können Sie uns etwas verraten?


    Oster: Mein Roman "Kiss Di Foxx Good Night" wird im Frühjahr 2000 veröffent- licht. Ich weiß nicht, ob das auch der deutsche Titel sein wird. Es geht um einen Mann, der nach New York zurück kommt, wo er lange gelebt hat, um eine ehemalige Freundin zu besuchen. Er will sich für sein damaliges Verhalten entschuldigen, und tut das auch. Sie stirbt plötzlich, in seinem Hotel Zimmer, woraufhin er in Panik gerät und versucht, ihre Leiche los- zuwerden. Schreckliche Komplikationen entstehen daraus. In Arbeit ist "Black is the New Black", ein Roman, in dem der Bürgermeister von New York dem Bürgermeister von Chicago die Freundin wegnimmt, ein ehemaliges Supermodel, das jetzt TV-Jounalistin ist. So etwas wie ein virtueller trojanischer Krieg entbrennt. Tom Gilette aus "Sturz ins Dunkel" mit hinein gezogen als Mittler, als eine Art Ulysses.

    u-lit.de:Mr Oster, Vielen Dank für dieses Interview.

    Zuletzt geändert am 20.02.2000 ©u-lit