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- Die zweite Schwierigkeit im Buchhandel ist, dass dadurch die edlen Teile des Buchmarktes, nämlich Erstlinge, also erste Bücher von Autoren, der innovative politische Essay, eine ungewöhnliche kunsthistorische Arbeit, die so genannten schwierigen Bücher, die Bücher von 1000-2000 Auflage, aus den Regalen fallen. Das ist das Problem und es ist ein gesellschaftliches Problem.

- Unser Gewerbe, das darf man nicht vergessen, ist, bei aller Hochachtung - ökonomisch betrachtet - ein jämmerliches Gewerbe. Ein normaler Industrieller - der lacht über unsere Renditen. Die normalen Renditen im Buchhandel sind etwa 3-5 Prozent Umsatzrenditen, in der Industrie liegen die bei 15 Prozent. Und die Hoffung der Bertelsmänner und der Holtzbrincks ist, dass sie diese industriellen Profite erreichen.
Klaus Wagenbach in einem
ZDF Interview


Andre Schiffrin:
Verlage ohne Verleger. Über die Zukunft der Bücher.
Mit einem Nachwort von Klaus Wagenbach.
Wagenbach Verlag 2000 125 Seiten,
DM 17,80

In der Umarmung des Riesen: Über die Zukunft der Verlage, der Bücher und der Informationen.


Die Welt der Bücher scheint in Ordnung zu sein. Wenig ist im Moment zu spüren von dem in den letzten Jahrzehnten prognostizierten Aussterben der Leser. Im Gegenteil, mit dem Literarischen Quartett und Harry Potter hat die Buch- Anschluß an die Eventkultur geworden. Jetzt sieht es auch noch so aus, als sei die offensichtlichste Bedrohung der Branche, die Aufhebung des festen Ladenpreises, abgewendet. Bleiben eigentlich nur die Internet Buchversender als Stimmungsverderber übrig, allen voran Amazon. Dieses Musteruntenehmen der New Economy pfeift auf Profit und Rentabilität: Was zählt ist schiere Größe. So hat Amazon seit seiner Gründung noch nicht ein einziges Mal schwarze Zahlen geschrieben, sondern im Gegenteil Jahr für Jahr gigantische Verluste eingefahren. Was auch kaum anders möglich ist, wenn man einen Markt mit offenem Dumping aufzurollen versucht. Den Aktionären ist es bisher egal: Sie glauben an den Internethandel. Den Gründern von Amazon kann es eigentlich auch egal sein. Es gibt genügend große Konzerne, die nur darauf warten, die lästige Konkurrenz im Falle des Strauchelns zu übernehmen, was Steve Bezos, den Amazon Gründer, immer noch als schwer reichen Mann zurück lassen würde.
Sollte also, wie es sich im Moment andeutet, die New Economy, gegründet auf Aktienfieber und neuen, weitgehend unreglementierten Märkten, an Boden verlieren, die Old Economy stünde bereit. Und für diese Unternehmen, die sowohl im stationären wie im Intenet Handel engagiert sind, die Verlage besitzen und Zeitschriften, und Fernsehsender und Internetportale und überhaupt in allen Bereichen der Medienvermarktung aktiv sind, für diese Unternehmen ist ein fester Ladenpreis kein Hindernis, sondern eher ein Faktor, mit dem man leben oder es auch lassen kann.
Der amerikanische Verleger Andre Schiffrin hat ein Buch geschrieben über die Entwicklungen in seiner Branche. Er hat am eigenen Leibe die Veränderungen seit den 60ger Jahren erfahren. Pantheon Books, der Verlag, den er leitete, mutierte in dieser Zeit vom unabhängigen Unternehmen zu einem Teil des weltumspannenden Bertelsmann Imperiums. Bertelsmann ist eines der Unternehmen, die sich gegenwärtig in gigantischen Fressorgien den wahrscheinlich wichtigsten Markt der Zukunft, den Medienmarkt einverleiben. Schiffrins Buch beschreibt nicht nur die Geschichte des Niederganges des Verlagswesens, sondern ist eine Warnung vor dem Ende der Informationsfreiheit. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich für Medienschaffende die klassische Frage nach Mitmachen oder Widerstehen. Wobei sich überraschende Konstellationen ergeben, wie im Falle Gregor Gysis, Richard von Weizsäckers und Elke Heidenreichs, die sich alle drei wohlig in die Umarmung der Bertelsmänner schmiegen


Der Name Schiffrin hat einen guten Klang in der Verlagswelt. In den 30ger Jahren gründete Andre Schiffrins Vater Jacques als mittelloser russischer Emigrant in Paris den Verlag Les Editions de la Pleiade. Von den Nazis in die Emigration gezwungen, rief er dann in New York zusammen mit Kurt Wolff, dem Verleger Kafkas, Pantheon Books ins Leben. So wuchs Andre Schiffrin auf im Kreis von europäischen Intellektuellen, die, wie Wolff, das kulturelle Leben vor den Nazis geprägt hatten, und solchen, die wie Levi Strauss, danach erst ihre volle Wirkung entfalteten. Das Verlegen von Büchern war in dieser Zeit selbstverständlich ein Geschäft, mit dem sich unter Umständen gutes Geld verdienen ließ. Aber viele Verleger dieser Epoche war von linken Idealen geprägt, und wo dies nicht, so fühlten sie sich doch oft gewissen kulturellen Idealen verpflichtet.

Mit der Pleiade verband sich der Anspruch, Weltliteratur in ansprechenden Ausgaben zu so günstigen Preisen zu produzieren, daß sie auch dem "kleinen Mann" erschwinglich wurde. Damit war das Grundmuster für viele erfolgreichen Verlage der folgenden Jahrzehnte beschrieben: Das gute Buch für die Massen sollte es sein. Namen wie Penguin, die New American Library, aber auch rororo standen für diese Idee.
Andre Schiffrin kommt aus dieser Tradition. Er räumt zwar ein, daß es auch zu diesen Zeiten, und man muß hinzufügen, seitdem Bücher zu Massenware geworden waren, viele Verlage gab, die dem beschriebenen Ideal höchstens im Wort, nicht aber in der Tat anhingen.

Es ist die Zeit, aus der das Wort vom Verleger als Beruf für Gentlemen stammt, welches ganz sicher in der Realität eher einer Selbststilisierung als einer Selbstbeschreibung entsprach. Man vergleiche diesen Anspruch mit den drastischen Schilderungen in George Gissings "Zeilengeld". Wahr daran aber und ein Unterschied zur Gegenwart ist die Tatsache, daß das Verlegen von Büchern unter anderen ökonomischen Bedingungen stattfand.
Verlage waren damals in aller Regel die Unternehmungen Einzelner. Im Grunde bestanden sie aus einer Verlegerpersönlichkeit und seinen Autoren. Zwischen diesen bestanden dauerhafte Bande, die ebenso geschäftlicher wie sozialer Natur waren. Ein Verleger hatte sich höchstens seiner Familie gegenüber, nicht aber einem Management oder Aktionären zu verantworten. So war es möglich, daß Kurt Wolff alle Bücher Franz Kafkas verlegte, der zu seinen Lebzeiten grandios erfolglos war. Und so war es möglich, daß ein Verleger, indem er einem Autor die Treue hielt, diesen auch nicht verlor, wenn der Erfolg sich einstellte. Man konnte also mit dem Verlegen von Büchern durchaus wohlhabend werden. Der eigentliche Anreiz dürfte aber in dem sozialen Prestige gelegen haben, daß mit dieser Tätigkeit verbunden war. Und als Verleger prägte man das kulturelle Leben, und sogar politische Meinungen und Entscheidungen.

Was hat sich verändert? Andre Schiffrin geht die Sache hauptsächlich von der ökonomischen Seite an. Seit 1962 arbeitet er für Pantheon Books, einen zunächst kleinen, aber renommierten amerikanischen Verlag. In seinem Buch beschreibt er, wie dieser Verlag von einem unabhängigen Unternehmen zu einem Rädchen in der gigantischen Bertelsmann Maschinerie geworden ist. Als Schiffrin bei Pantheon anfing, und rasch zum Verlagsleiter avancierte, war der Verlag gerade von Random House gekauft worden, nachdem Pantheon mit der Lizenz von Dr. Schiwago einen großen Erfolg gelandet hatte. Die beiden Besitzer von Random House, das nach dem Erwerb von Alfred Knopf´s zu einem der großen amerikanischen Verlagshäuser geworden war, mußten rasch einsehen, daß Pantheon ihnen keine großen Profite, wohl aber Prestige bringen würde. So ließen sie Schiffrin machen. Unter dessen Regie wurde Pantheon zu einem der der wichtigsten Verlage in der Aufbruchstimmung der 60ger Jahre.

Doch Anfang der 70ger beschloß der Elektronikriese RCA, daß eine Ausdehnung ins Verlagsgeschäft günstige "Synergieeffekte" bringen würde und schluckte kurzerhand Random House. Fortan herrschte ein rauherer Wind in der Verlagsgruppe: Die übliche verlegerische Kalkulation, nach der höchstens 10% der Titel den Rest zu finanzieren haben, paßte dem neuen Management überhaupt nicht. Die gesamte Geschäftspolitik wurde den Regeln des Profits unterstellt. Schon wenige Jahre später entschied man bei RCA, daß die angestrebten Effekte nicht zu erreichen seien, und man überhaupt andere Strategien verfolgen wolle, und Random House zu verkaufen oder einzustellen sei.

In dieser Situation erschien der Medienzar S.I. Newhouse schon fast wie ein rettender Engel. Newhouse, der mit Zeitungen und Kabelsendern zum Milliardär geworden war, ein Mogul vom Format Rupert Murdochs, trat mit vollmundigen Bekenntnissen zur Unabhängigkeit und Tradition der Verlage an, nur um sofort seine Manager auf Random House loszulassen. Warum sollte ihm mit Büchern nicht das gelingen, was er bei der Zeitschriftengruppe Conde-Nast vorgemacht hatte, nämlich aus Verlagen sprudelnde Geldquellen zu machen und nebenbei die Öffentlichkeit zu seinen Gunsten zu manipulieren?

Unter der Ägide von Newhouse wurden die Trends in Gang gesetzt, die das Verlagswesen heute bestimmen. Bücher und Autoren werden ausschließlich nach Profit bewertet. Autoren, die sich nicht entsprechend verkaufen, werden unabhängig von Dauer der Verlagszugehörigkeit oder Größe des Namens fallen gelassen. Für potentielle Bestseller hingegen werden gigantische Vorschüsse gezahlt. Das Lektorat, traditionell eine der entscheidenden Instanzen des Verlagswesens, wird entmachtet. An seine Stelle treten Literatur-Agenten. Diese arbeiten ebenfalls ausschließlich profitorientiert. Manuskripte werden an den Meistbietenden in regelrechten Auktionen verscherbelt. Verlage, die vorher ein eigenes, durch Persönlichkeiten und Tradition geprägtes Profil haben, werden zu Markennamen, die beliebig aufgegeben, relauncht oder neu positioniert werden können. Zentrale Funktionen werden von Betriebswirtschaftlern besetzt.
All dies hat jedoch bei Random House wie schon für RCA so auch für S.I.Newhouse nicht zu dem Erfolg geführt, den man sich erwartete, was sicherlich mit mangelnder Kenntnis des Buchgeschäfts zusammenhing, aber auch mit überhöhten Erwartungen. Bestseller lassen sich nach wie vor nicht zuverlässig programmieren. Schließlich verlor Newhouse das Interesse, und verkaufte, an Bertelsmann.

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TEIL 2:
Das Imperium schlägt zu. Wie Andre Schiffrin und Gregor Gysi, Richard von Weizsäcker und Napster von Bertelsmann umarmt werden...


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Medienkonzerne essen Bücher auf - Wie gefährdet ist die Literatur? Sagen Sie selbst!
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Zuletzt geändert am 03.07.2000 © u-lit